Interview Maria Kaindl

MARIA KAINDL  

Philosophie-Studentin,  Mitarbeiterin der Städtischen Kulturabteilung, Kulturschaffende und – genießende

 

Was bedeutet Kultur für Sie?

Kultur verortet den Menschen seit jeher zwischen Vergangenheit und Zukunft, zwischen dem was war und dem, was noch alles möglich ist.

Sie vermittelt Geschichte, indem sie Geschichten erzählt; sei es zwischen den Deckeln eines Buches, im Farbenrausch eines Gemäldes, auf einer Theaterbühne, Kinoleinwand oder verwoben in den Klängen einer Melodie – sie berührt uns, regt etwas tief in uns an. Sie lässt uns staunen, mitfühlen, verstehen, das „ich“ im „anderen“ erkennen – unabhängig von Alter, Geschlecht, Ethnie oder Status.

Darüber hinaus verfügt Kultur aber auch über das Potential, zum Träumen anzuregen; dazu, über das Altbekannte hinauszudenken, selbst Geschichte schreiben zu wollen und das Morgen aktiv mitzugestalten.

 

Was hat all dies nun Ihrer Ansicht nach mit Familie zu tun? 

Kultur vermag es auf so unglaublich spannende und abwechslungsreiche Weise, grundlegende menschliche Werte zu vermitteln. Das Vorlesen vor dem Schlafengehen, gemeinsam gesungene Lieder, gemalte Bilder, gefeierte Feste, eine gesunde Gesprächskultur – all das stärkt zum einen das Gemeinschaftsgefühl, ermöglicht es Familienmitgliedern aber gleichzeitig, sich selbst und einander als Individuen mit einzigartigen Fähigkeiten und Interessen abseits ihrer Verpflichtungen und Rollenbilder wahrzunehmen. Kultur fördert die Freude am Lernen, Wachsen und Entdecken und ist somit ein unabkömmlicher Bestandteil eines florierenden Familienlebens.

 

Haben Sie selbst diese Art von Kultur in ihrer Familie erfahren?

Ich kann mich glücklich schätzen, diese Frage bejahen zu können; zudem habe ich auch umgekehrt diese Art von Familie in der Kultur erleben dürfen. Viele Menschen jeglichen Alters finden gerade in kulturell orientierten Vereinigungen Gleichgesinnte, herausfordernde Aufgaben und Anerkennung ebenso wie Unterstützung und einen Ort, an dem sie ihre individuellen Interessen zur Entfaltung bringen können. Die Zusammenarbeit mit so unterschiedlichen Menschen, die dennoch alle für eine gemeinsame Leidenschaft brennen, kann mitunter einen äußerst familiär gefärbten Charakter annehmen und gerade für alleinstehende Menschen oder solche, die aus prekären Familienverhältnissen stammen, eine tragende Säule ihrer Lebensmotivation formen.

 

Welche Forderungen an die Politik ergeben sich demzufolge für Sie?

Ich bin der Meinung, dass der Zugang zur Kultur nicht von den finanziellen (Un)Möglichkeiten einer Person oder deren Familie abhängig sein darf. Gerade Kindern und Jugendlichen sollte ein Recht auf Kultur zukommen; dazu gehört neben der Berücksichtigung des finanziellen Aspekts auch eine direktere Integration verschiedener Kulturbereiche in den Pflichtschulbereich sowie dementsprechend geschulte Pädagog*inn*en. Die Menschen hinter Family sind sich bewusst, dass es sich bei Kultur nicht um einen isolierten Randbereich handelt, sondern um ein wesentliches Standbein unserer Gesellschaft, weshalb sie auch bestrebt sind, kultureller Bildung endlich den Sprung vom Privileg zum Grundrecht zu ermöglichen.

November 2017

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